Damals
Ich bin in der Stadt aufgewachsen, inmitten von Lärm, und das einzige bisschen Natur, das ich wirklich gut kannte, war der Park in der Nähe. Ich war nie ein sportliches Kind gewesen. Ich beschäftigte mich gerne alleine und las viel... Es ist das Jahr 1983. Ich bin dreizehn Jahre alt und habe viele Pferdebücher verschlungen. Ich habe Sehnsucht nach all den Dingen, die in diesen Büchern beschrieben standen. Meine Großmutter ermöglicht mir, auf die einzige Art und Weise, wie es damals ging, in Kontakt mit Pferden zu treten: über Reitstunden. Wir haben kein Auto, und der Weg ist relativ weit. Ich fahre mit dem Zug bis Süssenbrunn. Dort wird eine ganze Reitwoche für Kinder angeboten. Haflinger in Anbindehaltung stehen dort in Reih und Glied. Ich verliebe mich in Ostra, eine gemütliche Haflingerstute, zu der ich mich immer hin schummle und der ich einfach nahe sein möchte. Ich kann mich genau erinnern, wie leid mir Komica tat, eine Haflingerstute, die viel Pepp hatte und den Ruf leicht durchzugehen. Mit allem, was ich nicht über Pferde wusste, spüre ich ihre Pein. Ihren Freiheitsdrang. Ihr Eingesperrt sein. Ribana, die von einer schweren Frau mit Highheels ausgeritten wurde und eine pechschwarze Schönheit war - ich erinnere mich selten so gut an Namen und Orte wie an jene meiner allerersten Reiterfahrungen. Heute weiß ich, warum das so ist. Es waren Eindrücke, die unter die Haut gingen. Irgendwann später wurde mir bewusst, wie wenig es mir eigentlich ums Reiten gegangen war. Es machte mir keinen Spaß; die Zeit mit den Tieren war viel zu knapp, das Draufsitzen empfand ich als Qual. Nicht nur meine eigene. Tatsächlich taten mir Pferde die meiste Zeit einfach nur leid.
Viele Jahre später bin ich erwachsen und weiß, was ich wirklich möchte. Gemeinsam mit einer Freundin buche ich einen Kurs Bodenarbeit. Meine wunderschöne Begleiterin heißt Alma und ist ein Deutsches Pony. Mit ihr zusammen erlebe ich innige Verbundenheit und zauberhafte Stunden im Einklang. Sie spürt sehr genau meine Zweifel manchmal, wenn wir eine Aufgabe bekommen, für die ich mich noch nicht bereit fühle. Wir schwingen zusammen wie die Saiten eines Instruments. Aus meinem Traum gerissen werde ich durch den Gertenschlag ihrer jungen Besitzerin, der Alma trifft, als sie sich nach einem Büschel Gras reckt, mitten ins Gesicht. Mein Brief an die Mutter des Mädchens mit der Bitte, so etwas zu unterbinden, verhallt irgendwo im Nichts... Ich bin froh, als Alma irgendwann verkauft wird. Ob es ihr heute wirklich besser ergeht - wer weiß. Ich bin aus der Pferdeszene früh ausgeschieden, weil ich immer das Gefühl hatte, dass mit Pferden nicht so umgegangen wurde, wie ich mir das gewünscht hätte. Für mich war es eine Gradwanderung zwischen dem Wunsch nach Nähe zu diesen Wesen, die für mich Schönheit, Freiheit und Wildheit symbolisieren, und der Realität, die oft einer Knechtschaft näher kam als allen anderen Assoziationen.
Hoffnungsschimmer: Tiergestützte Angebote mit Pferden. Für Pferde. Und Menschen, die Pferde lieben.
Wenn es damals Angebote wie mancherorts heute für mich gegeben hätte, wie viel wohler und richtiger hätte ich mich da gefühlt. Wertvolle Zeit mit Pferden verbringen, Bodenarbeit, einfach zusammen sein, beobachten dürfen, nahe sein dürfen. Nicht darauf sitzen müssen. Die Schönheit, den Duft, die Anmut, das Verhalten und Wesen dieser Tiere kennenlernen können, statt Techniken zu erlernen, wie man einen großen Körper unter sich bewegt und beeinflusst. Gewaltfrei kommunizieren. Überhaupt: einfach nur kommunizieren.
Noch heute gibt es viele Eltern, die Kindern lieber Reitstunden zahlen würden, als solche gemeinsame Zeit zu ermöglichen, weil sie es nicht als "richtig" und "sinnvoll" empfinden, wenn das Kind nicht zumindest reiten lernt. Dabei gibt es so viel mehr zu erleben und zu lernen: Empathie, Selbstvertrauen im Umgang auch vom Boden aus, Respekt, liebevoller Umgang, Verbindung spüren.
Das Getragen werden von einem Pferd, etwas so Großartiges, Geborgenheit schenkendes, sollte nicht abgekoppelt von Verbundenheit geschehen. Denn es kostet das Pferd etwas. Haben wir wirklich das Recht, uns einfach auf einen fremden Rücken zu schwingen und unseren sportlichen Ambitionen freien Lauf zu lassen?
Wenn wir achtsam, respektvoll und liebevoll mit Tieren umgehen, wird vieles möglich. Aber es sollte niemals selbstverständlich sein. Gerade Pferde, die ihren Teil am Fortschritt der Menschheit er- und getragen haben, werden nach wie vor unter schlimmsten Bedingungen missbraucht.
Die neuen Strömungen wie modernes Medical Training mit Kooperationssignalen, gebissloses Reiten, Reiten mithilfe des Clickers und auch die Möglichkeit, wertvolle gemeinsame Zeit mit dem Partner Pferd zu verbringen, sind ein Hoffnungsschimmer auf eine, hoffentlich bessere, Pferdewelt.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist jedenfalls der Reitschulführer der Tierschutzombudsstelle Wien. Zu finden unter:
https://www.tieranwalt.at/fxdata/tieranwalt/prod/media/files/2023/Reitschulfuehrer_Web-Version.pdf
Horses make a Landscape look more beautiful- Alice Walker